Ein Bericht von T. Seegert

Sassnitz. (RO) Wer die Insel für sich entdecken will, hat dazu reichlich Möglichkeiten. Aussichtspunkte – wie der Ernst-Moritz-Arndt-Turm auf dem Rugard oder das Jagdschloss in der Granitz - bieten sich als lohnende Wanderziele für uns an. Heutiges Ziel ist aber der Königstuhl in der Stubnitz.
Planung ist das halbe Leben: Wo parkt man sein Auto? Wie kommt man vom Königstuhl wieder zum Ausgangspunkt seiner Wanderung? Was nehmen wir als Proviant mit? Während die Sache mit dem Proviant schnell geklärt war – Wasser, Knäckebrot und Obst – hatte die Frage nach dem Startpunkt für die Wanderung eine weitaus größere Tragweite. Optimal schien uns der Start am Parkplatz Nr. 5. Dieser befindet sich noch hinter der Sassnitzer Kirche und direkt an der Straße zum Königstuhl. Der Vorteil: Obgleich sich bei einem Start von hier die ursprüngliche Wanderung auf dem Küstenwanderweg zu einer Länge von etwa 9,5 km verlängert, ermöglicht sie uns im Anschluss eine direkte Rückfahrt vom Königstuhl zum Parkplatz Nr. 5 mit einem Wanderbus. Er verkehrt regelmäßig etwa alle 30 Minuten.
Der Wanderweg ist bereits am Parkplatz ausgeschildert. Er verläuft nördlich des Wedding und man folgt der Richtung „Kreidefelsen“. Unser Weg trägt dabei als Markierung ein weißes Feld mit einem blauen Querstreifen. Bereits auf den ersten tausend Metern geht es tüchtig auf und ab. Zur Randbebauung mit der Stadt hat man allerdings erstaunlicherweise kaum Berührung, so dass man sich schon mitten in der Stubnitz wähnt. Eine der Ausnahmen: Der Heimattiergarten. Hier kann man noch einen rückwärtigen Blick auf das Wolfsgehege werfen. Übrigens war die Stubnitz für den Isegrim einst die letzte Zuflucht. Daher galt die Stubnitz noch lange Zeit als unpassierbar und lebensgefährlich. Was davon blieb ist u.a. die Bezeichnung der „Wolfsgrube“, wo man die Raubtiere mit Köder anlockte und ihnen dann mit Knüppeln und Steinen zu Leibe rückte...
Nachdem wir schon eine ganze Weile unterwegs waren – man verliert das Zeitgefühl! – erreichen wir eine vermeintliche Siedlung, die sich jedoch als Wendeplatz vom Wedding entpuppt. Ein Mitarbeiter des Nationalparks gibt uns freundlich Auskunft über alles was wissenswert ist.

Es ist wirklich so, wie man es aus vielen Reiseführern kennt...
Nun beginnt der Hochuferweg, die eigentliche Wanderung. Erster Aussichtspunkt ist die Blässe, eine Kreidewand. Der Blick auf die See wird belohnt, denn regelmäßig schippern Ausflugsboote Touristen die Kreideküste entlang. Dies allein ist Grund genug ein Fernglas einzupacken. Allerdings sollten man auf der Hut sein, wenn Einheimische diese Wanderung führen. Sie erkennen den Schiffstyp mitunter an seiner Silhouette und sagen die Namen am Bug voraus. Die Aussagen sorgen zunächst für erstaunte Gesichter, da man dem Ureinwohner – ungerechtfertigter Weise – zutraut einen schärfen Blick zu haben als der Gast. Überhaupt sind einheimische Führer für Überraschungen nie zu schade, doch: Die wenigsten laufen diese Strecke öfter als einmal in zehn Jahren. Auch sie können nicht mehr die Uhrzeit am Stand der Sonne sagen...
Die Piratenschlucht gilt bis heute als sagenumwoben. Und obgleich Störtebeker im Sommer tagtäglich seinen Kopf in Ralswiek verliert, hier soll er wirklich gehaust und auch seine Beute versteckt haben. Die Suche kann Erfolg haben, denn noch ist kein Goldschatz an dieser Stelle gehoben worden. Ein Abstieg ist – das sollten man in jedem Falle bedenken! – immer auf eigene Gefahr und der Weg, der vor uns liegt, noch sehr lang. Wir erreichen die Wissower Klinken. Sie werden immer wieder mit Caspar David Friedrich und seinem berühmten Gemälde in Verbindung gebracht. Doch: Obwohl es bis zum Absturz der bekannten Felsvorsprünge im Jahre 2005 durchaus Ähnlichkeiten gab, muss darauf verwiesen werden, dass der Romantiker nach seinen Skizzen später mit viel künstlerischer Freiheit malte. Dies macht bis heute eine korrekte Zuordnung unmöglich.

Den Augenblick geniessen...
Unser Weg geht weiter zur Ernst-Moritz-Arndt-Sicht. Benannt wurde sie nach dem wohl bekanntesten Rüganer. Oftmals umstritten, wird Arndt auf der Insel noch immer für sein großes Wirken als Heimatdichter und Sagensammler hoch verehrt. Nicht nur dieser Aussichtspunkt - auch der Turm auf dem Rugard, das Stadion und das Gymnasium in Bergen – tragen seinen Namen.
Über eine Holzbrücke führt uns der Weg nun über den Kieler Bach. Er stürzt als Wasserfall direkt in die Ostsee. Über den Kollicker Ort geht es zur kleinen Stubbenkammer, die südlich des Königstuhls gelegene Kreidewand, mit der Victoria-Sicht.

Der Blick vom "Freitritt" in die Tiefe - natürlich auf eigene Gefahr!
Sie erhielt ihren Namen nach dem Besuch des preußischen Königs, Wilhelm I., und seiner Schwiegertochter, Kronprinzessin Victoria, im Jahre 1865. Victoria war die Tochter der britischen Königin Victoria und die Frau von Friedrich III. – dem späteren „99-Tage-Kaiser“, der 1888 an Kehlkopfkrebs verstarb. 
Nun sind wir nur noch 5 bis 10 Minuten vom Königstuhl, dem Zielpunkt unserer Wanderung entfernt. Auf einem neu befestigten Weg erreichen wir den natürlichen Aussichtspunkt mit einer Höhe von 117,9 Metern. Woher der Name „Königstuhl“ kommt? Nach einer Legende, wurde der zum König, der seeseitig die Felswand erklomm und sich auf einen Stuhl setzte, der sich auf dem Aussichtspunkt befand. Von derartigen Versuchen ist allerdings abzuraten, da diese Unterfangen lebensgefährlich sind...