Im Gespräch mit Thomas Zaage
Wreechen. (RO) Wer in seinen Wanderungen über die Insel streift, kommt auch immer wieder an den an den traditionell mit Rohr eingedeckten Dächern vorbei. Dieses traditionelle Handwerk der Dacheindeckung prägt die Inseln Rügen und Hiddensee seit Jahrhunderten. Wir sprachen mit Thomas Zaage über sein Handwerk, den verwendeten heimischen Baustoff und die Vorteile die Rohrdächer für Bauherren haben.
Welche Tradition hat das Handwerk des Rohrdachdeckens in der Familie Zaage?
Thomas Zaage: Die Tradition geht in unsere Familie zurück bis in die Mitte der 50er Jahre. Damals hat Vaddern sein Handwerk beim Rohrdachdecker Otto Koos gelernt und es bis in die Mitte der 90er Jahre ausgeübt. Anschließend habe ich es fortgeführt. Später kam noch mein Bruder mit dazu, bis er 2003 eine eigenständige Firma gründete. Also sind da schon ein paar Jährchen als Rohrdachdeckerei Zaage ins Land gegangen.
Weit über 50 Jahre! Was ist denn heute anders als früher?
Thomas Zaage: Heute ist Einiges anders geworden. Beispielsweise die Dachstärke: Früher betrug sie 25 cm – heute sind es 30 cm und mehr... Aber die Techniken sind verschieden: Das Dach wird geschächtet, genäht oder geschraubt. Unsere Dächer werden mit Niro-Schrauben und einem anhänglichen Niro-Draht geschraubt. Dabei wird die Schraube direkt in die Dachlatte eingeführt und dann läuft –auch wie bei der alten Technik – oben ein Schacht-Draht. Als man noch keinen Draht hatte, war es in den meisten Fällen ein Haselnuss-Schacht, der in den Wäldern geschlagen wurde.
Und wie sieht es beim Werkzeug aus?
Neben der schon erwähnten Schraubtechnik, gibt es auch noch die Technik mit dem Besteck. Man hat dabei zwei Handwerksteile. Mit dem Einen wird der Draht oben eingefädelt und mit dem Anderen wird der Draht unter der Dachlatte wieder zurückgeholt. Auch die Kellen haben sich geändert. Zu Vadders Zeiten gab es noch eine Holzkelle auf die ein Winkeleisen aufgeschraubt war. Inzwischen arbeiten viele aber mit einer sogenannten „Lochkelle“. Das sind Kellen aus Aluminium, in die Löcher eingefräst sind und mit denen das Dach in seine Form geklopft wird.
Nun reden die einen immer von „Reet“ – die anderen von „Rohr“... Was ist denn eigentlich richtig?
Thomas Zaage: Also, bei uns heißt das „Rohr“ und in den Altbundesländern sagt man „Reet“ – aber beide Bezeichnungen sind richtig.
In alten Häusern findet man Rohr häufig noch als Putzträger. Heute wird es hauptsächlich für die Eindeckung von Weichdächern verwendet – Welchen Vorteil bietet dieser natürliche und heimische Baustoff?
Thomas Zaage: Das Rohrdach hat den Vorteil: Im Sommer haben wir unterm Rohrdach ein schönes kaltes Klima. Denn die Erwärmung im Gebäude ist nicht so groß wie beim Ziegeldach, weil das Rohr die Sonne reflektiert. Und im Winter hat es durch die Dachstärke eine Wärmedämmende Eigenschaft.
Typisch für alte Rauchhäuser und neue rohrgedeckte Häuser ist das steile Dach. Warum ist das so?
Thomas Zaage: Je steiler das Dach, um so länger hält es. Die DIN sagt aus: In jedem Bereich des Daches soll die Neigung 45 Grad betragen. Wer sich aber mal umschaut weiß, dass bei eingebauten Gauben oder kleinen Dachstühle mit einer Sparrenlänge von beispielsweise 6 Metern diese Vorgaben nicht immer eingehalten werden können. Folglich kann das Wasser oft tief ins Dach eindringen. Das verkürzt jedoch die Lebensdauer dieser Dächer.
Wie lange hält denn ein Rohrdach?
Bei Dächern mit einer Dachneigung von 45 Grad - das Wasser kann hier kaum eindringen – wenig Kehlen und wenig Gauben liegt die Lebensdauer in der Regel zwischen 40 und 50 Jahren.
Wird diese traditionelle Bauweise noch gefördert?
Thomas Zaage: Nicht direkt die Bauweise, aber im Rahmen von Dorferneuerungsplänen sind natürlich auch Rohrdächer förderfähig.
Was wünscht man sich als Rohrdachdecker für sein Handwerk in der Zukunft?
Thomas Zaage: Jeder Handwerker wünscht sich natürlich eine gute Auftragslage. Und: Das die Zahlungsmoral in Mecklenburg-Vorpommern besser wird.