Gustow. (RO) Ungewöhnliche Zeitzeugen können einem auf Wanderungen so ziemlich überall auf der Insel Rügen begegenen: Zum Beispiel Denk- und Sühnesteine. Aus Kalk- oder Granitstein gefertigt, lassen sie heute auch einen Blick in die Vergangenheit zu. Schon die Wappendarstellungen und Inschriften lassen darauf schließen, dass deren Anfertigung einmal eine kostspielige Angelegenheit gewesen sein musste. Und so verwundert es nicht, dass es Ihre Auftraggeber meist Adlige oder Patrizier waren.
Die eigentliche Mordwange, eine hochrechteckige Tafel, verfügt über ein rundes oder vieleckiges Kopfstück. Oft wird hier der Kruzifix oder die „Kleine Kreuzigung“ zentral dargestellt. Während zu Füßen des Kreuzes der Verstorbene zur Abbildung kommt. Vielfach ist er durch Totschlag ums Leben gekommen. Durch die Gebetsformel „misere mei deus“ wird er als die Person gekennzeichnet, für den das Mal erreichtet wurde und für den Vorübergehende ein Gebet für sein Seelenheil sprechen sollten.
Die Inschriften können sowohl in lateinisch (bei älteren Mordwangen) als auch in niederdeutsch abgefasst sein. Berichtet wird u.a. der Name des Verstorbenen, Todesdatum und Umstände – mitunter auch vom Stifter. Da die Totschläger nicht genannt werden und auch bei den bekannten Mordwangen keine Urkunden erhalten geblieben sind, ist noch unklar, ob es sich bei den Stelen um Sühne- oder Gedächtnissteine handelt. Beides ist möglich.
Zu den bekanntesten Mordwangen der Insel zählt die Stele von Gustow. Sie wurde nördlich der Kirche aus Granit errichtet. Auf der Frontseite wurden Umrisse eines Kruzifix mit zwei Engeln und davor ein kniender Mann mit Schwert auf dem Kopf eingemeißelt. Daneben befindlichen sich ein Kelch und ein Wappen mit Hausmarke.
Eine weitere Mordwange – aus Kalkstein – befindet sich an der Ostwand der Kirche von Gingst. Allerdings wurde die ursprüngliche Oberfläche abgetragen und mit einer neuen Inschrift versehen, so dass sie durch den Auftraggeber zum Grabstein für Alexander Moritz von der Osten und seine Frau Eva Barbara umfunktioniert wurde. Wer seinen Ausflug nach Gingst über Schaprode fortführt, wird auch hier fündig. Am nördlichen Dorfausgang gibt es eine hochrechteckige Wange, dessen oberer Teil als runde Scheibe mit kleinen kreisrunden Ansätzen ausgeführt wurde. Obgleich bereits eine starke Verwitterung eingetreten ist, kann noch von einer Darstellung eines Kruzifix ausgegangen werden. Die versuchte Deutung der Inschrift durch von Lemcke wird heute als nicht mehr haltbar angesehen.
Die Mordwanden sind heute als Denkmale unter Schutz gestellt. Schade ist, dass Einheimische wie Wanderer sich der Außergewöhnlichkeit dieser Zeitzeugen kaum bewusst sind und achtlos an ihnen vorüber ziehen.